Giftpilze - Pilzgifte
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4. Thematische Anmerkungen am Rande
Geradezu als Geißel der Menschheit wurde im Mittelalter ein Pilz bezeichnet, der heute in unseren Breiten diesbezüglich keine Rolle mehr spielt, das Mutterkorn (Claviceps purpurea). Die auf verschiedenen Gräsern und vor allem in den Roggenähren sich parasitisch entwickelnden Sklerotien dieses Schlauchpilzes (Ascomyceten) gelangten ins Grundnahrungsmittel Mehl und lösten bei den Menschen das "Antonius-Feuer" aus, das mit Kribbeln am Körper begann, psychische Ausnahmezustände hervorrief, ein unerträgliches Brennen der peripheren Körperpartien und schließlich deren schmerzhaftes Absterben bewirkte. Vergiftungen in jüngerer Vergangenheit durch das Mutterkorn werden allenfalls mit dessen mißbräuchlicher Anwendung als Abtreibungsmittel in Zusammenhang gebracht. Einige Substanzen aus diesem Pilz, vor allem Ergotamine, werden heute noch in der Heilkunde in verschiedenen Anwendungsgebieten, insbesondere aber in der medizinischen Geburtenhilfe genutzt.
Doch nicht genug der Wirkungsformen; chemische Forschungen erbrachten ein Derivat aus dem Mutterkorn hervor, das sowohl in der forensischen Psychologie als auch im Mißbrauch in der "Szene" als L S D Berühmtheit erlangte.
Weltruf positiver Art hat sich hingegen ein "niederer" Pilz aus der Gattung Penicillium erworben, seit Fleming und andere Wissenschaftler aus dessen Mutanten das heilbringende Antibiotikum Penicillin entwickelt haben. Pilzstämme aus dieser Penicillium-Gruppe werden aber auch zur Herstellung bzw. Verfeinerung in der Lebensmittelindustrie zum Beispiel für Edelschimmel bei der Käse- und Salamiproduktion marktfördernd eingesetzt.
Dabei sind die meisten Schimmelpilze, wie wir sie auf verdorbenen Lebensmitteln antreffen, höchst gefährlich für den menschlichen Organismus. So können Pilze aus der großen Gattung Aspergillus Leberkrebs hervorrufen, solche der Gattung Fusarium sind verantwortlich für die Zerstörung roter und weißer Blutkörperchen und führen neben vielerlei Begleitsymptomen zur lebensbedrohlichen Blutarmut.
Giftige Schimmelpilze, Bakterien und toxische Stoffe, die bei der Eiweißzersetzung entstehen, bilden die Ursachen für viele "unechte Pilzvergiftungen", die man besser unter dem Begriff Lebensmittelvergiftung zusammenfaßt. Die sogenannten Großpilze, also auch unsere Speisepilze sind besonders schnell verderbliche Organismen. Ihr Zersetzungsprozeß tritt vor allem bei alten und von Maden befallenen Fruchtkörpern sehr schnell ein und wird durch falschen Transport, z.B. in Plastiktüten, und unsachgemäße Lagerung, ungekühlt oder/und in geschlossenen Behältnissen, noch beschleunigt. Die zur Untergattung "Filzröhrlinge" (Xerocomus) zählenden Pilze, hier vor allem die zahlreich gesammelten Rotfußröhrlinge (Xerocomus chrysenteron s.l.) sind häufig schon als junge Fruchtkörper am Standort von einem Schimmelpilz, dem giftigen Goldschimmel (Apiocrea chrysosperma / Sepedonium chrysospermum) befallen und somit ungenießbar. Im Anfangsstadium zeigt sich auf der Röhrenschicht eine fleckige oder in ringförmiger Zone erscheinende weiß-graue Verfärbung der ansonsten blaß-gelben bis olivgelben Röhrenmündungen, später breitet sich der Schimmel auf andere Fruchtkörperteile weiß- bis silbergrau aus und überzieht den Pilz im Endstadium schön goldgelb. Nahezu 80 % der zur Pilzberatung gebrachten Rotfußröhrlinge sind in ihrer Konsistenz matschig oder von besagtem Schimmelpilz befallen, also für den Kochtopf unbrauchbar.
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Weitere Randbereiche zu diesem Gesamtthema seien nur stichwortartig erwähnt:
* "Pilzzüchterlunge" | Von "Pilzzüchterlunge" spricht man bei Personen, die in der gewerblichen Pilzzucht und -verarbeitung tätig sind und durch eingeatmete Sporenmassen allergische Reaktionen zeigen und erleiden. | |||
* "Bufotenin" | fälschlicherweise auch Krötengift genannt, ist ein toxischer Stoff, der vor allem im Gelben Knollenblätterpilz (Amanita citrina) und im Porphyrbraunen Wulstling (Amanita porphyria) enthalten ist und halluzinogene Wirkung, begleitet von Kopfschmerzen und Schwindelgefühlen hervorrufen kann; ernsthafte Vergiftungsfälle sind diesbezüglich aber nicht bekannt. | |||
* "Tollwut" | Viren sind hitzelabil und spielen im Zusammenhang mit gut erhitzten Pilzgerichten keine schadensbringende Rolle; ihre Gefährlichkeit wird durch direkte Aufnahme über die Schleimhäute oder verletzte Hautstellen eingeleitet. (siehe aber hierzu spezielle Fachbeiträge!) | |||
* "Fuchsbandwurm"
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(siehe auch hierzu themenspezifische Arbeiten!) z.B.:
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* "Zecken"
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(siehe auch hierzu themenspezifische Arbeiten!) z.B.:
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* "Blausäuren" |
sind wohl in Pilzen, wenn auch in kleineren Mengen, vielfach enthalten, so z.B. im Feld- / Nelkenschwindling (Marasmius oreades), verflüchtigen sich aber weitestgehend durch Trocknen oder beim Kochen, so dass sie bei korrekter Zubereitung der Pilze keine Gefahr für den Erwachsenen darstellen. Bei Kindern ist darauf zu achten, dass Nelkenschwindlinge, die oft in Gärten und Parks in großen Gruppen und Hexenringen wachsen, nicht roh gegessen werden. Dies zum einen wegen der Verwechslungsgefahr mit weißen Gift-Trichterlingen oder Rißpilzen, zum anderen aber auch wegen des Blausäuregehalts; so berichtet die einschlägige Literatur über Kopfschmerzen, Atemnot, Erbrechen und sogar akuten Hirntod bei Kindern nach Genuß von Bittermandeln, die jedoch einen sehr hohen Anteil an Blausäure haben. |
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* "Mykosen" | sind weit verbreitete, durch "niedere" Pilze ausgelöste Erkrankungen der Haut, Finger- und Fußnägel und der Haare; in gottlob selteneren Fällen wird durch Mykosen bei allgemeiner Immunschwäche die Lunge befallen und kann dort eine ernsthafte Gefahr hervorrufen. | |||
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