Giftpilze - Pilzgifte
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9. Gyromitrin - Syndrom
Vorzugsweise in Kiefernwäldern auf sandigen Böden wächst der Pilz, der für diese Art von Vergiftungen verantwortlich ist: die Frühjahrs-Lorchel. Dabei verspricht ihr wissenschaftlicher Artname durchaus Verlockendes, heißt doch "esculenta" soviel wie "eßbar". Tatsächlich war dieser Pilz auch lange Zeit als Delikatesse begehrt und geschätzt; selbst nach schweren Ver-giftungen und Todesfällen in Folge seines Genusses schrieb man ihn als Speisepilz nicht ab und proklamierte seine Bekömmlichkeit nach Trocknen oder ausreichendem Abkochen weiterhin.
Doch nicht nur die bewußte Hernahme der Frühjahrs-Lorchel zur Essenszubereitung, auch eine unbewußte Verwendung nach Verwechslung mit einer Morchelart hat schon manche tragisch endende Vergiftung nach sich gezogen.
Verantwortlich für diese tödliche Gefahr ist der Inhaltsstoff "Gyromitrin" und dessen Abbauprodukt "Monomethylhydrazin" über deren Stabilität bei Erhitzung, Trocknung oder Verdampfung die Wissenschaft keine einheitliche Meinung vertritt. Sicher verflüchtigt bei solcher Behandlung ein Teil der Giftstoffe, was mehrmals durch sehr profane Erfahrungen in der Praxis bestätigt wurde, wenn beispielsweise der Koch durch Einatmen der Dämpfe Vergiftungssymptome erleiden mußte, während die Teilnehmer an der Mahlzeit ohne jegliche Beschwerden davonkamen.
Es gibt allerdings unterschiedliche Meßergebnisse nach dem Trocknen oder Erhitzen dieser Pilze, ferner führt auch die Verträglichkeitsschwelle bei einzelnen Personen individuel zu ganz verschiedenen Reaktionen, so dass man resümierend zur Ansicht kommen muß, der Verzehr dieses Pilzes gleicht einem Vabanquespiel.
Frühjahrs-Giftlorchel Gyromitra esculenta |
Speisemorchel Morchella esculenta |
Nicht ganz eindeutig geklärt ist der Giftgehalt in nahe verwandten Schlauchpilzen (Ascomyceten), wie der bei uns oft häufigeren Riesen-Lorcheln (Gyromitra gigas), die ohnehin nur durch mikroskopische Untersuchung einwandfrei von vorgenannter Art abgetrennt werden kann, sowie der mehr im Herbst erscheinenden Bischofsmütze (Gyromitra infula) und der verlockenden Kronenbecherlinge (Sarcosphaera crassa), die schon Vergiftungen hervorgerufen haben, wenn auch Gyromitrin nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte.
Auch zu diesem Komplex sind die meisten Vergiftungsfälle aus den osteuropäischen Ländern bekanntgeworden, so war das Gyromitrin-Syndrom in der damaligen UdSSR mit einem statistischen Anteil von ca. 40 % an allen registrierten Vergiftungen beteiligt, was aber nicht mit erhöhter Risikobereitschaft der dort lebenden Menschen zusammenhängt, wenngleich der bewußte Verzehr dieses Pilzes einer gewagten Teilnahme am "Russischen Roulett" gleichkommt.
Der mit einer hohen Letalitätsrate endende Krankheits-Verlauf nach dem Konsum von Frühjahrs-Lorcheln ist sehr ähnlich jenem der Knollenblätterpilz-Vergiftung, dem sogenannten Phalloides Syndrom.
P I L Z E :
Frühjahrs-Lorchel | Gyromitra esculenta |
Riesen-Lorchel | Gyromitra gigas |
Bischofsmütze | Gyromitra infula |
Kronen-Becherling | Sarcosphaera crassa |
Bischofsmütze Gyromitra infula |
Sarcosphaera crassa / -coronaria |
P I L Z G I F T E :
Gyromitrin - Monomethylhydrazin
L A T E N Z Z E I T :
6 - 12 - 24 Stunden
S Y M P T O M E :
a) gastrointestinale Phase
- Müdigkeit -> Übelkeit -> Kopfschmerzen
- Erbrechen -> ruhrartiger wässriger/blutiger Durchall
- Blutdruckabfall -> Krämpfe
b) trügerische Besserung
c) Phase der Leberzerstörung (oft erst am 2. oder 3. Tag)
- Bewußtseinsstörung -> Unruhe -> Krämpfe -> Delirium
- Druckempfindlichkeit der Leber -> Gelbsuchtschwere Schädigung des NervensystemsAusbleiben der Harnproduktion
- Kreislaufzusammenbruch -> Leber- /Nierenversagen
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