MAMU-Wanderung vom 11.2.2006: Baumbestimmung in Bergheim
Führung: | Dipl.-Biologe Christoph Hahn |
Teilnehmer: | An der Wanderung nahmen 14 Personen teil - für die kalte Jahreszeit eine gute Zahl |
Wetter: | Das Augsburger Umland war die Tage zuvor von ergiebigen Schneefällen und starken, teils orkanartigen Winden geprägt. Am Exkursionstag blieb es jedoch niederschlagsfrei und windstill. Nachdem sich der Hochnebel verzogen hatte, schien sogar die Sonne. Die Temperaturen lagen um den Gefrierpunkt und waren im Vergleich zur Januar-Wanderung mild. |
Exkursionsgebiet: | 1.) D-BY-Reg.-Bez. Schwaben, LK Augsburg, Bergheim, Forst südwestlich der Waldgaststätte Höhe über NN: 530 m Messtischblatt: 7630/4.4.2.1 2.) D-BY-Reg.-Bez. Schwaben, LK Augsburg, Inningen, westliches Wertachufer Höhe über NN: 496 m Messtischblatt: 7631/3.3.1.4 |
Standort: | 1.) wirtschaftlich genutzter Mischwald, teils Fichtenforste; saurer nährstoffarmer Boden Der Standort zeichnet sich durch eine vielfältige Pilzflora aus. So konnten dort im Herbst 2005 auch weniger häufige Arten wie z.B. der Parasitische Scheidling (Volvariella surrecta) und der Orangefuchsige Rauhkopf (Cortinarius orellanus) nachgewiesen werden. 2.) auwaldähnlicher Uferbewuchs; kalkhaltiger und nährstoffreicher Boden Baum- und Straucharten: 1.) Berg-Ahorn, Feld-Ahorn, Spitz-Ahorn, Hänge-Birke, Rot-Buche, Douglasie, Eibe, Stiel-Eiche, Rot-Eiche, Grau-Erle, Gemeine Fichte, Hasel, Schwarzer Holunder, Wald-Kiefer, Europäische Lärche und diverse Weiden 2.) Berg-Ahorn, Feld-Ahorn, Spitz-Ahorn, Grau-Erle, Gemeine Esche, Schwarzer Holunder, Kirsche, Zitter-Pappel, Pfaffenhütchen, Schlehe, Schneeball und diverse Weiden |
Bericht:
Gleich am Parkplatz galt die Aufmerksamkeit einem Berg-Ahorn (Acer pseudoplatanus). Christoph Hahn erklärte, dass die grünen Knospen kein sicheres Unterscheidungsmerkmal sind, da die rötlich-braunen Knospen des Spitz-Ahorns (Acer platanoides) an stark beschatteten Standorten ebenfalls grün gefärbt sein können. Dafür lassen sich die beiden Arten anhand der Seitenknospen abgrenzen: Während die des Bergahorns vom Zweig abstehen, liegen sie beim Spitz-Ahorn an. Der dritte verbreitete Ahorn in unserem Einzugsgebiet, der Feld-Ahorn (Acer campestre), besitzt zwar auch grüne Knospen, doch die Endknospen sind mit 5-6 mm im Vergleich zum Spitz-Ahorn (8-12 mm) und Berg-Ahorn (8-15 mm) deutlich kleiner.
Als nächstes machte uns Christoph Hahn auf die Leitbündel an den Blattnarben aufmerksam, die ebenfalls als Bestimmungsmerkmal herangezogen werden können. Über jene Gefäße standen die Blätter vor dem Winter mit dem Baum im Stoffaustausch. Für Ahorne sind beispielsweise 3-5-spurige Blattnarben charakteristisch, wohingegen Eschen (Fraxinus excelsior) viele kleine, hufeisenförmig angeordnete Leitbündel aufweisen. Noch deutlicher kann die Esche an den großen schwarzen Knospen und den meist krummen Zweigenden erkannt werden – für Pilzsammler eine wichtige Information, da der Baum, in dessen Umgebung gerne Speise-Morcheln (Morchella esculenta) und Morchel-Becherlinge (Disciotis venosa) wachsen, im Frühjahr erst spät seine Blätter austreibt.
Nach der ersten Einführung in die wichtigsten Baumbestimmungsmerkmale im Winter wechselten wir vom Parkplatz ins anliegende Waldstück. Dort fielen dem Biologen an einem liegenden Eichenzweig die Spuren des Eichen-Schildbecherlings (Colpoma quercinum) ins Auge. Dieser nützliche Schlauchpilz kommt praktisch an jeder älteren Eiche vor und befreit den Baum von toten Zweigen.
Im süddeutschen Raum herrscht vor allem die Stiel-Eiche (Quercus robur) vor, wohingegen im Norden die Trauben-Eiche (Quercus petraea) das Feld anführt. Unterschieden werden sie z.B. anhand der Fruchtbecher: Während sie bei der Stiel-Eiche an 6-8-cm-langen Stielen (Name!) hängen, sind die der Trauben-Eiche ungestielt bis kurz gestielt und wachsen zu Trauben gehäuft (Name!) an den Ästen. Blätterlos kann man die beiden Eichen auch anhand ihrer Silhouette trennen: Die Krone der Trauben-Eiche erhebt sich hoch gewölbt auf geradem Stamm mit strahlenförmig abgehenden Ästen, die außerdem deutlich gerader ausfallen als bei der Stiel-Eiche.
An jungen Rot-Buchen (Fagus sylvatica) führte Christoph Hahn vor, dass man die Art einfach mit einer Pieksprobe an den spitzen und harten Knospen erkennen kann. Über die dunklen Flecken auf der Rinde größerer Bäume wusste der Naturkundler zu berichten, dass es sich um den Buchenschwarzschorf (Ascodichaena rugosa) handelt. Der recht häufige, aber für den Baum harmlose Pilz wird über Schnecken verbreitet. Sie kriechen bei feuchter Witterung am Stamm empor, weiden den Schwarzschorf ab und verteilen dadurch die Sporen des Pilzes auf der Rinde.
Inmitten eines Abschnittes mit Fichten (Picea abies) stand eine vereinzelte Douglasie (Pseudotsuga menziesii). Sie wurde im 18. Jahrhundert aus Nordamerika zu uns eingeführt und gilt inzwischen als die wichtigste fremdländische Baumart. Im Gegensatz zur Fichte und zur Weiß-Tanne (Abies alba) sind die Nadeln der Douglasie an der Spitze eingekerbt und deshalb stumpf.
Nach einem stärkenden Mittagsmahl in der Waldgaststätte Bergheim begaben wir uns an den zweiten Standort, die Uferregion östlich der Wertach. Dort zeigte uns Christoph Hahn einen jungen Feld-Ahorn, der Korkleisten ausgebildet hatte. Keine 2 m weiter wuchs ein anderer Feld-Ahorn, gänzlich ohne Korkleisten. Wie es zu diesem Phänomen kommt, ist bis heute ungeklärt.
Danach deutete der Biologe auf einen großen Kirschbaum (Cerasus sp.), der anhand der Querstreifen auf der Rinde leicht zu identifizieren ist. Aber auch die Seitenknospen mit Bereicherungsknospen oder die an den gestauchten Kurztrieben gehäuften Knospen sind ein Erkennungsmerkmal.
Als nächstes rückte ein großer, am Boden liegender und entrindeter Baumstamm in den Fokus der Exkursionsteilnehmer. Christoph Hahn warnte davor, auf ihm Platz zu nehmen, da es sich um eine Zitter-Pappel (Populus tremula) handelte, deren Stamm mit Dornen bewehrt ist.
Der Pilzsachverständigenprüfer der DGfM gab den Speisepilzsammlern noch den Tipp, solche Substrate in den kalten, frostfreien Monaten im Auge zu behalten, da dort gerne Austern-Seitlinge (Pleurotus ostreatus) fruktifizieren. Die vergammelten Überreste an der Schnittfläche eines Stammabschnitts belegten diese These.
Weithin sichtbar waren die Überreste toter Erlen, die der Erlen-Wurzelhalsfäule (Phytophtora alni) zum Opfer fielen. Das Erlensterben grassiert bereits seit mehreren Jahren in Deutschland und breitet sich, nicht zuletzt durch die Fähigkeit der Spezies, Sporen mit Geißeln auszubilden, die sich aktiv in Gewässern und über das Grundwasser fortbewegen können, immer weiter aus. Verantwortlich ist ein Eipilz, der den befallenen Bäumen die Wasserzufuhr abschneidet, sodass sie verdursten. Erkrankte Erlen erkennt man gut an den schwarzen Ausflüssen durch Wundöffnungen am Stamm.
Allerdings konnte man an den Baumgerippen sehr schön beobachten, wie z.B. der Rotrandige Baumschwamm (Fomitopsis pinicola) und der Erlen-Kugelkohlenpilz (Daldinia petrinae) damit begannen, das Totholz zu zersetzen und die Nährstoffe wieder dem Boden zurückzuführen.
Am späten Nachmittag endete die lehrreiche Wanderung – immer noch bei strahlend schönem Winterwetter. Abschließend bedanke ich mich im Namen unseres Vereins recht herzlich bei Christoph Hahn für seine Ausführungen.
Andreas Kunze
Bilder:
Bild 1: Gespannt lauschten die Teilnehmer den Erläuterungen des Biologen. | Bild 2: Am Parkplatz des Treffpunktes erklärte Christoph Hahn die ersten Bäume. |
Bild 3: Die Flecken auf der Buchenrinde kennzeichnen den Buchen-Schwarzschorf (Ascodichaena rugosa). | Bild 4: Schnecken sorgen für die Verbreitung des weit verbreiteten Pilzes. |
Bild 5: An Schwarzem Holunder fanden wir diesen kleinen, verkrüppelten Samtfußrübling (Flammulina velutipes). | Bild 6: Der Weiße Holunderrindenpilz (Hyphodontia sambuci) bildet weiße, bisweilen rissige Überzüge an Schwarzem Holunder. |
Bild 7: An einer Hasel hat sich der Hasel-Rindensprenger (Vuilleminia coryli) den Weg unter der Rinde freigesprengt, um die Fruchtschicht freizulegen. | Bild 8: Am gleichen Substrat wuchsen die harten, pusteligen Fruchtkörper der Rotbraunen Kohlenbeere (Hypoxylon fuscum. |
Bild 9: Als Dritter im Bunde überzog der Polsterförmige Feuerschwamm (Phellinus punctatus) die Hasel mit flächigen Fruchtkörpern. | Bild 10: Der Erlen-Kugelkohlenpilz (Daldinia petrinae) besteht aus mehreren, konzentrisch überlagerten Schichten. |
Bild 11: An der Schnittfläche einer Pappel entdeckten wir die Braune Borstentramete (Coriolopsis gallica). | Bild 12: Interessant sind die borstigen Haare auf den Hutoberseiten und die eckigen, großen Poren. |
Gattung |
Art |
Deutscher Name |
|
1
|
Ascodichaena |
rugosa |
Buchenschwarzschorf |
2
|
Basidioradulum |
radula |
Reibeisen-Rindenpilz |
3
|
Colpoma |
quercinum |
Eichen-Schildbecherling |
4
|
Daedaleopsis |
confragosa |
Rötende Tramete |
5
|
Flammulina |
velutipes |
Gemeiner Samtfußrübling |
6
|
Gloeophyllum |
sepiarium |
Zaun-Blättling |
7
|
Hyphodontia | sambuci | Weißer Holunderrindenpilz |
8
|
Hypoxylon |
fuscum |
Rotbraune Kohlenbeere |
9
|
Nectria |
cinnabarina |
Zinnoberroter Pustelpilz |
10
|
Phellinus |
punctatus |
Polsterförmiger Feuerschwamm |
11
|
Schizopora |
flavipora |
Gelbporiger Spaltporling |
12
|
Steccherinum |
lacteum |
Milchweißer Eggenpilz |
13
|
Vuilleminia |
coryli |
Hasel-Rindensprenger |
Fundliste 2
Gattung |
Art |
Deutscher Name |
|
14
|
Coriolopsis |
gallica |
Braune Borstentramete |
15
|
Daedaleopsis |
confragosa |
Rötende Tramete |
16
|
Daldinia |
petrinae |
Erlen-Kugelkohlenpilz |
17
|
Datronia |
mollis |
Weicher Resupinatporling |
18
|
Dendrothele |
acerina |
Ahorn-Baumwarzenpilz |
19
|
Eutypella |
cerviculata |
Gefurchter Erlen-Kugelpilz |
20
|
Fomitopsis |
pinicola |
Rotrandiger Baumschwamm |
21
|
Oxyporus |
obducens |
Krustenförmiger Steifporling |
22
|
Peniophora |
limitata |
Eschen-Zystidenrindenpilz |
23
|
Phellinus |
conchatus |
Muschelförmiger Feuerschwamm |
24
|
Phytophtora |
alni |
Erlen-Wurzelhalsfäule |
25
|
Pleurotus |
ostreatus |
Austern-Seitling |
26
|
Stereum |
subtomentosum |
Samtiger Schichtpilz |
27
|
Trametes |
versicolor |
Schmetterlings-Tramete |